Es klingt verlockend: In der Arbeitszeit ein Spiel spielen, mit dem Ziel etwas zu lernen – man verbindet also etwas Schönes mit etwas Verpflichtendem. Diese Methode ist mittlerweile in vielen E-Learning-Formaten der betrieblichen Weiterbildung etabliert und ist kaum mehr wegzudenken, weil sie die Vermittlung von Inhalten enorm erleichtert. Trotzdem sehen einige Unternehmen diesen Ansatz kritisch, weil sie gegen Spielen während der Arbeit sind und den Nutzen davon beim Lernen nicht sehen. Dabei ist diese Art zu Lernen nicht einfach aus der Luft gegriffen, sie steht auf einer wissenschaftlich fundierten Basis, wie ich in diesem Artikel zeigen werde. Eines ist klar: 50-minütige „Klickschlachten“ zum Thema EU-Datenschutzgrundverordnung mit einem abschließenden Test sind heute nicht sehr zielführend und sorgen nicht dafür, dass Mitarbeitende den Stoff länger präsent haben und nachhaltig und richtig handeln.
Neugier ist der Schlüssel
Blicken wir zunächst aber einmal auf die evolutionäre Entwicklung des Menschen. Von Grund auf sind wir auf der Suche nach neuen Impulsen und Informationen. Warum ist das so? Ganz einfach: Um zu überleben. Hierzu brauchen wir immer neue Daten und Hinweise. Diesem Gedanken folgend, ist Neugier die wahrscheinlich wichtigste Charaktereigenschaft von uns Menschen, wenn es ums Überleben geht. Sie entsteht, wenn wir neue Informationen wahr- beziehungsweise aufnehmen. Hierbei bilden sich neue Synapsenverbindungen im Gehirn. Der Botenstoff Dopamin entsteht und sorgt für die Informationsübertragung zwischen Gehirn und dem restlichen Körper. Hierdurch kann das Gelernte besser verarbeitet werden. Die Motivation, das Lernen und auch die Stimmung wird davon beeinflusst. Dabei sind Dopamin und auch Endorphin, was zum Beispiel nach einer erfolgreichen sportlichen Trainingseinheit ausgeschüttet wird, auch „Glückshormone“. Salopp formuliert, kann Lernen also süchtig machen.
Gamification bedient genau diese Neugier und sorgt dafür, dass das Lernen auch Spaß macht. Das ist übrigens ein Umstand, den viele von uns in ihrer Schulzeit vermisst haben. Wir erinnern uns oft an öden Frontalunterricht, Sprüche, wie „Ernst des Lebens“ oder „dieses Wissen braucht man später noch“ – von Neugierde auf Themen und Unterrichtsinhalte war kaum oder gar keine Spur. So machte Lernen nicht viel Spaß. Vielleicht hätten Gamification-Elemente das ändern können? Spiele zu spielen, ist ein schöner Zeitvertreib. Wie kaum ein anderes Medium machen sie sich Neugierde zu Nutze – und das ist nicht nur bei konventionellen Videospielen, sondern auch bei den sogenannten Serious Games der Fall. Aufgrund der grundlegenden Konzeption werden Inhalte ansprechend dargestellt und sinnvoll aufeinander aufbauenden Leveln aufgeteilt. Die Spieler*innen erlernen im spielerischen Kontext neue Fähigkeiten, das regt die Neugierde immens an. Und diese neuen Fähigkeiten sind entscheidend, um im Spiel weiterzukommen. Das füttert unsere Neugierde umso mehr.
Serious Games als erfolgreicher Vermittler komplexer Inhalte
Gerade Gamification, besser gesagt Serious Games, setzen auf Neugier: So lässt sich ein komplexes und abstraktes Themengebiet wie beispielsweise IT-Sicherheit mit einer Geschichte mit Charakteren und interaktiver Gestaltung in ein gamifiziertes Training umwandeln. Damit ist dieses Lernkonzept erfolgreicher als E-Learning ohne spielerische Elemente. Das belegt auch eine Studie vom Schulpsychologischen Dienst des Kantons Zug in der Schweiz. Die Forschenden untersuchten die Punkte Abschlussquote und Lerneffektivität. Dazu verglichen sie ein klassisches E-Learning ohne Gamification-Anteil und ein Format mit einem Serious Game miteinander. Der Inhalt war bei beiden Varianten gleich. Es zeigte sich, dass das konventionelle Training nur eine Abschlussquote von 25 Prozent erreichen konnte. Beim Serious Game waren es dagegen 90 Prozent. Das ist schon ein gewaltiger Unterschied. Viel frappierender ist in meinen Augen aber ein weiteres Ergebnis der Studie: Die Lerneffektivität, also das im Nachgang noch abrufbare Wissen, lag beim klassischen Format bei gerade einmal 10 Prozent. Die Testgruppe, die per Serious Game gelernt hatte, konnte im Nachgang aber 90 Prozent des Inhaltes noch wiedergeben.
Man könnte sich aufgrund dieser Studie schon fast zu einer Aussage hinreißen lassen, dass E-Learning ohne Gamification-Anteile für Unternehmen rausgeschmissenes Geld sind. Ganz falsch liegt man damit sicherlich nicht, aber lassen Sie mich an dieser Stelle eine weitere Studie ins Feld führen, um den Nutzen von Gamification zu untermauern: Traci Sitzman hatte in ihrer Studie „A Meta-Analytical Examination of the Instrucional Effectiveness of Computer-Based Simulation Games“ eine recht ähnliche Erhebung veröffentlicht. Dabei hat sie ebenfalls klassische E-Learning- beziehungsweise Trainingsformate („traditionelles Lernen“) mit Game-based-Learning-Formaten in verschiedenen Kategorien miteinander verglichen. Im Ergebnis konnte sie beim Game-based-Learning ein um 11 Prozent gesteigertes konzeptionelles Wissen, ein um 20 Prozent gesteigertes Selbstvertrauen in die erworbenen, neuen Fähigkeiten, ein um 90 Prozent gesteigertes Erinnern an Inhalte und eine um tatsächlich 300 Prozent gestiegene Menge an abgeschlossenen Aufgaben messen – im Vergleich zu traditionellen Methoden.
Um die vollumfängliche positive Wirkung von Gamification aufzuzeigen, reicht nicht nur der Blick auf den prozentualen Wissenszuwachs. Wichtig ist auch der Zusammenhang zwischen spielerischen Lernformaten und der grundlegenden menschlichen Motivation. Zusammen mit anderen Forschern stellte Michael Sailer einen positiven Bezug verschiedener Gamification-Elemente zur sogenannten „Selfdetermination Theory“ (kurz SDT-Modell) her. Die SDT ist das zentrale Modell, wenn es darum geht, menschliche Motivation und dessen Entstehen zu erläutern. Dabei wird angeführt, dass insgesamt drei universelle psychologische Grundbedürfnisse unser menschliches Handeln prägen: Kompetenz, Autonomie und soziale Eingebundenheit.
Werden ein oder mehrere dieser drei Bedürfnisse angesprochen, wird das jeweilige Verhalten gefördert. Demnach motivieren Gamification-Elemente das Nutzerverhalten, indem ein oder mehrere der Grundbedürfnisse befriedigt werden. Kurzum: Gamification nutzt die Grundbedürfnisse des Menschen. Dadurch fördern gamifizierte Formate die Motivation der Teilnehmenden enorm.
Positive Effekte erreicht Gamification übrigens auch bei der mentalen Gesundheit. In Neuseeland wurde „The Wellbeing-Game“ (TWBG) entwickelt. Das ist eine spielbare Anwendung, die das mentale Wohlbefinden der Nutzenden fördern soll. Mehrere Forschungsprojekte konnten belegen, dass TWBGs einen positiven Effekt auf die mentale Gesundheit haben.
Fazit: Gamification macht E-Learning erfolgreich
Das alles zeigt, dass Gamification hochwirksam ist und einen großen Nutzen für Lernende hat. Formate ohne spielerische Elemente versetzen Lerner weniger in die Lage, sich nachhaltig Wissen anzueignen und dieses im Nachgang noch präsent zu haben. Daraus ergibt sich, dass insbesondere betriebliche Weiterbildungen in Form von E-Learning in Verbindung mit Gamification sehr viel besser funktionieren. Serious Games sorgen dafür, dass Mitarbeitende motivierter lernen und das Wissen besser behalten. Dies ist gerade in unserem Themengebiet der IT-Sicherheit entscheidend, weil es darauf ankommt, im Ernstfall richtig zu handeln und dadurch eine Cyberattacke zu stoppen, bevor sie größerem Schaden anrichtet. Letztlich sollten aber natürlich auch Weiterbildungsmaßnahmen für andere Themen erfolgreich sein und zu einem Zuwachs von Wissen bei den Mitarbeitenden führen.
Mein Rat an Verantwortliche in Unternehmen lautet daher: Sollten Sie Probleme haben, wichtige Informationen und Inhalte an die Belegschaft auszuspielen, dann probieren Sie es eventuell einmal mit einem Serious Game. Sie werden bestimmt überrascht sein, wie gut dies funktioniert.