Was genau versteht man unter dem Begriff „Shared Leadership“?
Dörte: Shared Leadership ist der Fachbegriff für das Teilen eines Führungskräfte-Jobs. Es gibt verschiedene Modelle und Gründe für Shared Leadership. Ein Grund dafür: Die Arbeit einer Führungskraft ist so umfangreich, dass er nur in 50 bis 60 Stunden zu bewältigen wäre. Und anstelle das eine Person dauerhaft Überstunden leistet und unter kontinuierlichem Stress steht, können sich zwei Personen die Aufgaben teilen. So wird übrigens auch Führung in Teilzeit möglich, welches in der angespannten Fachkräftesituation ein großer Pluspunkt im Recruiting von Führungskräften ist.
Darüber hinaus stellen Unternehmen immer mehr fest, dass Menschen mit einer hohen Fachexpertise in ihrem Bereich nicht zwangsläufig auch die Kompetenzen für Personalführung und -entwicklung mitbringen. Durch beispielsweise die Aufteilung von disziplinarischer und fachlicher/produktorientierten Führung können Menschen in Personalverantwortung gehen, die Kompetenzen in Personalentwicklung, Gesprächsführung und Feedback mitbringen. Gleichzeitig bleibt die Fachexpertise des Experten durch die fachliche Führung als Mehrwert für das Team sowie das Produkt bestehen, welches beim aktuellen Fachkräftemangel ebenfalls sehr von Vorteil ist.
Wie kam es zu Shared Leadership bei G DATA?
Stefan: Bevor Dörte kam, hatte ich eine Zeit lang die disziplinarische Führung und die produktstrategische Verantwortung des Teams. Beides habe ich aber nicht gelernt – ich bin studierter Informatiker. Mir war von Anfang an bewusst, dass Personalplanung und -entwicklung nicht meine Themen sind. Es ist deutlich mehr Arbeit, als einmal pro Jahr Mitarbeitergespräche führen und Budget planen. Hinzu kommt: Im Mobile Team ist die Zahl der Systeme gewachsen, die wir betreuen und damit auch die Teamgröße.
Da kam es mir gelegen, dass G DATA vor drei Jahren People Leads eingeführt hat. Da musste ich nicht lange überlegen. Ich wollte auch für das Mobile Team eine Person, die uns die disziplinarische Führung und besonders Personalentwicklung abnimmt, damit wir im Team den Fokus ausschließlich auf fachliche Themen legen. Seit Mai 2022 unterstützt mich Dörte mit ihrem Fachwissen.
Ich wollte für das Mobile Team eine Person, die uns die disziplinarische Führung und besonders Personalentwicklung abnimmt, damit wir im Team den Fokus ausschließlich auf fachliche Themen legen.
Wie lief der Auswahlprozess?
Stefan: Bei dem Bewerbungsverfahren für People Lead Mobile war ich die treibende Kraft, weil ich am meisten davon profitiere. Schließlich kann ich Aufgaben abgeben und eine zweite Person sorgt dafür, dass die Mitarbeitenden höher motiviert sind. Bei der Suche haben wir mehrere Gespräche mit Dörte geführt . Zum Schluss gab es auch ein Gespräch mit dem Team, denn das sollte auch ein Votum abgeben. Aber wir waren uns schnell einig und sind froh, dass wir Dörte für uns gewinnen konnten.
Dörte: Eigentlich ist die Rolle des People Leads genau die Stelle, die man für mich hätte erfinden müssen. Schon in meinem Studium und in meinen beruflichen Stationen war moderne Führung ein zentrales Thema. Ich weiß aus Erfahrung, dass Mitarbeiter*innen einen Jobwechsel auch davon abhängig machen, wie wohl sie sich fühlen und wie gut sie von der Führungskraft angenommen werden. Also ist es für mich als Führungskraft bei G DATA wichtig, Mitarbeitende zu stärken und nicht zu bremsen
Meine Führungsrolle ist darauf ausgerichtet, Mitarbeiter*innen positiv zu entwickeln. Wir brauchen Mitarbeiter*innen, die Ideen einbringen, mit anderen Teams Projekte voranbringen und stets technologisch auf dem Laufenden bleiben.
Wie sieht Shared Leadership im Alltag bei G DATA aus?
Stefan: Dörte und ich haben unterschiedliche Themenfelder, mit fließenden Übergängen. Ich arbeite jetzt als Product Owner, der rein produktstrategisch führt – in Zusammenarbeit mit einem People Lead, die disziplinarisch führt. Dörte nimmt mir die Personalentwicklung ab, sodass ich mich darauf konzentrieren kann, die Ziele für unsere Produkte auszuarbeiten. Das führt dazu, dass ich jetzt den Freiraum habe, langfristig zwei Monate im Voraus zu planen.
Dörte: Ich bin jetzt seit einem Jahr bei G DATA und mich begeistert weiterhin die Art und Weise der Menschen untereinander. Die Kommunikation im Team ist freundlich und wertschätzend. Die Unternehmenskultur ist insgesamt sehr vertrauensvoll und positiv.
In diesem Rahmen ist meine Führungsrolle darauf ausgerichtet, Mitarbeiter*innen positiv zu entwickeln. Die gesellschaftlichen Entwicklungen sind rasant und unsere Produkte sind ständig in Bewegung. Wir benötigen also viele Innovationen. Dafür brauchen wir keine Mitarbeiter*innen, die einfach nur programmieren, sondern Menschen, die Ideen einbringen, mit anderen Teams Projekte voranbringen und stets technologisch auf dem Laufenden bleiben.
Am Jahresanfang habe ich ein Personalentwicklungskonzept entwickelt. Davor hat Stefan die Produktziele der nächsten Monate aufgezeigt und im Team kommuniziert. Dann konnten die einzelnen Teammitglieder überlegen, welche Skills sie für die Umsetzung benötigen. In Einzelgesprächen habe ich geklärt, welche Möglichkeiten wir zum Lernen haben. Denn es gibt nicht nur Seminare, sondern auch noch andere Lernpfade, wie sich Angestellte in agilen Teams fortbilden. Erst dann habe ich ein Konzept aufgesetzt und es dann angepasst, damit Skills und Produktziele zueinander passen. Das ist ein kontinuierlicher Prozess: Immer wieder zu fragen, welche Skills für den nächsten Schritt, die nächsten Sprintziele erforderlich sind. Ohne Stefans Expertise zu den Produkten hätte ich nicht zusammen mit den Mitarbeiter*innen die nächsten Lernschritte planen können.
Stefan: Dörte gibt mir regelmäßig Feedback aus den Gesprächen, welche fachlichen Interessen im Team vorherrschen. So können wir die Mitarbeiter-Motivation hochhalten. Dabei profitieren wir auch von Learning-on-the-Job. Dabei sind neue Skills verwoben mit unseren Zielen. So schaffen wir auf allen Ebenen einen Mehrwert, denn wir treiben parallel die Produktentwicklung sowie die persönliche Entwicklung voran.
Wir profitieren auch von Learning-on-the-Job. Dabei sind neue Skills verwoben mit unseren Zielen. So schaffen wir auf allen Ebenen einen Mehrwert, denn wir treiben parallel die Produktentwicklung sowie die persönliche Entwicklung voran.
Wie war der Wechsel von einer Führungskraft hin zu Shared Leadership?
Dörte: Die Situation im Mobile Team hat eine Besonderheit. Stefan hat meinen Job bis vor einem Jahr mitgemacht. Die Teammitglieder haben also die Personalgespräche mit ihm geführt. Das Team musste lernen, dass ich die Führungskraft bin. Das war ein wichtiger Prozess. Früher waren beide Rollen in einer vermischt, weil er sowohl fachlich entscheidet, aber gleichzeitig auch über das Gehalt der einzelnen Mitarbeiter*innen. Da ist es völlig normal, wenn das zu Konflikten führt. Durch diese geteilte Führung gibt es das Problem nicht mehr, denn Stefan kann sich fachlich mit den Kolleg*innen auseinandersetzen. Und es muss keiner Sorge haben, dass es sich negativ auf die Position im Team auswirkt.
Die Personalgespräche führe ich immer alleine. In den Meetings bin ich in der Regel dabei, denn das sind wichtige Schnittstellen. Dadurch reduziert sich auch die Abstimmungszeit mit Stefan.
Es hat schon gedauert, bis das Team gelernt hat, dass Stefan noch da ist, aber ich jetzt bei einigen Themen den Hut aufhabe. Das Feedback der Kolleg*innen ist insgesamt sehr gut.
Stefan: Wir haben von Anfang an klare Regeln, wer welche Themen verantwortet. Wenn also ein*e Kolleg*in mit mir über sein oder ihr Gehalt sprechen will, dann kann ich das nicht entscheiden. Ich kenne das Budget, das koordinieren wir gemeinsam. Trotzdem verweise ich das Teammitglied an Dörte und spreche parallel mit ihr. Genauso läuft es andersherum, wenn eine Person Dörte fragt, wie er oder sie mit einer Produktentscheidung umgehen soll.
Was sagen eigentlich die Mitarbeiter*innen im Mobile Team? Wir fragen, Lara Kresse antwortet:
Wie war denn der Wechsel von einer Führungskraft zu einem Führungsteam?
Das war sehr gut. Denn jetzt ist eine Person, die Personalentwicklung gelernt hat, in unserem Team. Natürlich mussten wir uns am Anfang an die neue Situation gewöhnen und herantasten, wer denn jetzt für was verantwortlich ist. Aber das hat sich ganz schnell eingespielt.
Wie bewertest du Shared Leadership?
Die Entkopplung von fachlichen und persönlichen Themen gefällt mir gut. Denn ich kann jetzt mit Stefan über fachliche Aufgaben reden, ohne dass dies meine Bewertung beeinflusst. Wenn ich also Kritik übe, muss ich keine Angst haben, dass sich das im Personalgespräch negativ auswirkt. Der große Vorteil: Wir können viel fokussierter am Produkt arbeiten. Gleichzeitig achtet Dörte darauf, dass ich mich fachlich entwickle, Fortbildungen mache, damit ich gut arbeiten kann.
Wie geht ihr beide denn mit Konfliktsituationen um?
Dörte: Natürlich haben wir auch Konfliktsituationen und unterschiedliche Ansichten. Wenn ich sage, ich entwickle jemanden weiter, dann dauert dieser Prozess ein oder zwei Jahre – da reicht keine zweitägige Fortbildung. Stefan fragt aber schon nach drei Monaten, ob die Entwicklung abgeschlossen ist. Da kann ich nur mit Nein antworten.
Stefan:Wenn wir unterschiedlicher Meinung sind, diskutieren wir das oder probieren einfach etwas aus. Dann sage ich hinterher: „Siehste, hat doch nicht funktioniert. Und dann machen wir das so, wie ich sage.“ (Gelächter)
Was sind Vorteile und auch Nachteile?
Dörte: Ein Vorteil ist, dass ich produktfachlich keine Verantwortung trage. Ich kann mich also ganz auf die persönliche Ebene der Kolleg*innen konzentrieren. Ein Großteil meiner Arbeit ist Beziehungsmanagement, Zuhören und wertschätzendes Feedback für die Mitarbeiter*innen.
Für mich heißt Leadership: Individuell auf den jeweiligen Menschen einzugehen und meine Führung so zu gestalten, dass der- oder diejenige die Möglichkeiten erhält, sich weiterzuentwickeln, um gut zu arbeiten. Aber auch, um sich wohlzufühlen. Mit mir gibt es im Mobile Team eine Ansprechpartnerin, um Dinge zu klären, für die sonst wenig Zeit ist. Zum Beispiel: Wie kann ich mich bei G DATA weiterentwickeln? Im persönlichen Gespräch bringe ich diese Leute auf Ideen und zeige ihnen Wege auf. Oder ich schlage vor, Verantwortung bei der Übernahme von Praktikant*innen zu übernehmen. Dann höre ich oft: „Gute Idee, das probiere ich mal aus.“
Stefan: Das der Abstimmungsaufwand höher ist, kann ich nicht sagen. Wir haben keinen wiederkehrenden Besprechungstermin, um uns abzustimmen. Trotzdem sprechen wir uns regelmäßig ab und das machen wir häufig auch vor Ort auf dem Campus – das stärkt das Miteinander. Gerade wenn wir beide im Büro sind, sind die kurzen Gespräche zwischendurch wichtig und hilfreich – insbesondere für tagesaktuelle Sachen. Und natürlich stimmen wir uns auch remote ab.
People Lead ist übrigens kein Feel-Good-Manager. Ich mache auch Dinge, die keinen Spaß machen. Disziplinarische Führung heißt auch, mal Nein zu sagen.
Was sind in eurer Zusammenarbeit die Erfolgsfaktoren?
Dörte: Stefan und ich sind charakterlich unterschiedlich, sodass wir uns gut ergänzen. Das bedeutet auch, dass wir die Dinge anders sehen – zumindestens am Anfang. Und ich könnte meinen Job mit diesem Schwerpunkt Führung und Entwicklung nicht so machen, wenn wir als Team nicht so vertrauensvoll zusammenarbeiten würden.
Denn wenn ich die Chats mitlese oder die Reviews beobachte, dann versuche ich auch inhaltlich zu verstehen, worum es geht. Da ist Stefan mein Übersetzer. Wenn es darum geht, besondere Talente im Team zu entdecken, dann finde ich das nicht heraus, wenn ich dem Team beim Coden zuschaue. Sondern ich muss mit den Kolleg*innen und Stefan in den Dialog gehen und meine eigenen Beobachtungen auswerten.
Aus meiner Sicht ist unsere Zusammenarbeit ein Geben und Nehmen: Ich mache diesen Job in Teilzeit und verpasse so auch mal etwas. Stefan oder die Teammitglieder bringen mich dann auf den neuesten Stand. Ich unterstütze Stefan, indem ich die Anregungen, die er nicht nur zu den Menschen, sondern den Produkten und den Skills hat, aufgreife und daraus etwas mache. Ein Beispiel: Wenn wir anhand der Produktziele sehen, dass wir mehrere Personen brauchen, die in einer bestimmten Technologie fit sind, sich aber nur eine*r freiwillig meldet, dann ist es meine Aufgabe, mit den Kolleg*innen zu sprechen, sodass am Ende sich die Zahl der Freiwilligen erhöht. Dabei hilft mir meine Art der Gesprächsführung.
Ich versuche gar nicht erst zu tun, als könnte ich Anweisungen geben oder fachliche Vorschriften machen. Wenn ich damit anfange, nimmt mich keine*r mehr ernst. Ich wäre nicht so gut in meinem Job, wenn ich nicht dieses vertrauensvolle Verhältnis zu Stefan hätte.
People Lead ist übrigens kein Feel-Good-Manager. Es ist nicht mein Job, dass sich alle wohlfühlen, sondern es geht um Führungs- und Personalentwicklung. Ich mache auch Dinge, die keinen Spaß machen. Disziplinarische Führung heißt auch, mal Nein zu sagen.